11. Juli 2016
Steirischer Mariazellerweg 06 - Etappe 9 von 10
von der ROTSOHLALM nach MOOSHUBEN
Geschlafen haben wir nicht wirklich viel. Das liegt aber nicht am Bettenlager. Ist es die Aufregung oder das Gefühl zum ersten Mal in einem Hüttenschlafsack zu liegen? Ich kann es nicht sagen. Liegt es daran, dass wir noch recht lange wach waren und mit der Almwirtin gefeiert haben? Wer weiß das schon so genau? Doch egal, wie es auch immer war, vor uns liegt die letzte "Tages"Etappe ehe es am letzten Tag nur noch gemütlich nach Mariazell geht. Oh, wir sind in Feierlaune und können es gar nicht glauben, dass wir dem Ziel schon so nahe sind. Keine Blasen an den Füßen und kein Muskelkater. Einfach nur genial.
Vielleicht muss es ja so kommen, dass wir so kurz vor dem Ende noch eine harte Prüfung bestehen müssen. "Hochmut kommt vor dem Fall" kann man dazu sagen. Doch noch ahnen wir ja nichts. Es ist ein herrlicher Morgen auf der Rotsohlalm. Fast keine Wolken weit und breit und es ist warm genug um auf der Terrasse zu frühstücken. Immer wieder fällt mein Blick in das Buch von Fritz & Erika Käfer "Pilgerwege nach Mariazell (Band West + Süd)" denn ich möchte trotz Euphorie wissen, was auf uns noch wartet. Und das ist auch gut so, denn es werden wieder einige Höhenmeter dabei sein.
Wir verabschieden uns von Vroni und der Rotsohlalm und wandern los. Gleich neben dem Nikolokreuz gibt es eine Hinweistafel, dass der ehemalige Pilgerweg über Gusswerk nach Mariazell führt. Doch wir folgen den Weitwanderstrecke und steigen neben der Bärentalerwand der Hohen Veitsch weiter in den Norden. Und dort wartet gleich mal ein richtig herrliches Panorama.
Im Westen erkenne ich einer meiner Lieblingserhebungen der Aflenz Bürgeralm, den Kampl. Das hohe Felsmassiv der Gschirrmauer lenkt fast schon ein wenig vom Dachstein ab. Auch dieser zeigt sich in voller Pracht.
Wir marschieren weiter entlang der Veitsch, bis wir durch den Wald den Hirschl erreichen. Es folgt noch eine Umrundung des Radlbodens ehe wir über eine Forststraße zum Niederalplpass und Ploderhof absteigen. Wo im Winter sonst der Skibetrieb läuft, ist das Areal im Sommer eine kleine Geisterstadt. Und wie kann es anders sein? Wir steigen wieder nach oben zur Wetterinalm. Dort kehren wir bei einer Almhütte ein und stärken uns.
Und hier bahnt sich das Unheil langsam an. Die Wolken rotten sich ganz langsam zusammen. Eine dunkle Wolke zieht über unseren Kopf hinweg. Zunächst ist das ja angenehm, weil sie sich vor die Sonne schiebt. Wir fragen den Hüttenbetreiber, ob ein Gewitter heranrollt. Er sagt uns, dass dies erst für die Abendstunden vorhergesagt wurde.
Wir gehen also weiter, stapfen über die Wetterin und erreichen vor der Weißalm unseren höchsten Punkt der gesamten Tour mit über 1500 Meter. Auf der Weißalm wird aus dem Himmelblau langsam ein fahles Grau. Immer mehr Wolken im Umkreis rotten sich zusammen und verdichten sich. Doch wir sind optimistisch, dass wir rechtzeitig zur Mooshuben gelangen. Außerdem taucht vor uns der Tonionstock auf. Und über den Daumen gespitzt wissen wir, auf der Nordseite liegt Mariazell. Es fühlt sich heimelig an. Zunächst geht es aber noch mal bergab zum Ochsenboden. Wir glauben, dass es jetzt nur noch bergab geht, doch falsch gedacht. Wir müssen den Tonion entlang der Ostseite umrunden und dabei über einen kleinen Felssteig wieder aufsteigen.
Wir streifen den Teufelskessel, und das ist ein gutes Stichwort, denn hinter uns im Süden öffnen sich nun langsam die Tore zur Hölle. Die Luft steht, es ist schwül. Alles ist in Grau gehalten und da ertönt auch schon der erste Donner. Jetzt ist uns klar. Das Gewitter ist im Anrollen.
Wir erreichen den Herrenboden und die Almhütte. Der Herrenboden ist eine weite Weidefläche eingebettet zwischen dem Schneekogel und dem Schwarzkogelausläufer. Wir fragen die Wirtin, ob wir es bis nach Mooshuben schaffen, ohne nass zu werden. Sie winkt uns skeptisch ab. Und trotzdem marschieren wir weiter.
Hinter uns ziehen dicke schwarze Wolken über den Herrenboden und der Donner kommt jetzt in immmer kürzen Intervallen. Wir befinden uns bei der Madonna am Herrenboden und stehen vor dem schmalen steilen Steig durch den Wald nach Schöneben. Eben hat ein Blitz nahe bei uns eingeschlagen und der Donnerlärm ist gewaltig. Doch zurück zur Hütte können wir nicht mehr, ohne frontal ins Gewittertreiben laufen. Außerdem bringt es nichts auf der freien Fläche am Herrenboden zu verweilen. Also steigen wir trotz Gewitter ab. Mitten am Steig bergab überholen wir eine weitere Gruppe von Wanderer, die vom Gewitter überrascht wurden. Wir überholen diese worauf auch schon der Regen einsetzt. Wir können gerade noch unseren Regenoberteil anziehen und die Rucksäcke einpacken, ehe es richtig los geht mit dem Unwetter.
Wir versuchen ruhig zu bleiben. Das gelingt meinem Vater mehr als mir. Ich bin richtig nervös und will nur noch runter vom Berg.
Wir sind recht flott unterwegs, was aufgrund des Steigs nicht so einfach ist. Schließlich erreichen wir das Tal Schöneben. Ab hier schließt sich der Kreis mit der Variante die wir vor zwei Jahren am burgenländischen Mariazellerweg 06, von Frein an der Mürz herkommend, genutzt haben. Doch wir haben keine Zeit zu verlieren und müssen weiter den Freigraben hinab.
Das Gewitter bleibt wahrlich am Berg kleben, doch wir sind noch nicht durch. Es folgt ein richtig brutaler Wolkenbruch über uns und es entwickelt sich ein brutaler steirischer Platzregen. Einige von Euch wissen, was das bedeutet. Für Jene, die sich darunter weniger vorstellen können. Das ist ein Regenguss wie unter der Brause in der Dusche. Es schüttet und schüttet und schüttet. Auf 10 Meter können wir nichts mehr erkennen außer Wassermassen. Die Heavy Wet Ausrüstung sowie der Rucksackschutz können nichts mehr ausrichten. Auch unsere toll geprüften Wanderschuhe haben gegen "diese" Wassermassen keine Chance. Binnen weniger Minuten ist der Falbersbach neben uns um das doppelte angestiegen und das Regenwasser plätschert nur so entlang der Straße. Wir müssen unsere Geräte schützen, darum gibt es auch kein Foto mitten im Regen. Nur die GoPro hat tapfer einige Sekunden mitgefilmt (siehe Video). Unsere Navis setzen aus, der Touch funktioniert nicht mehr. Es ist irre !!!
Drei Kilometer lang verfolgt uns die Gratisdusche, ehe der Wettergott endlich ein Einsehen hat, uns erlöst und als Trost Sonnenschein spendet. Alles ist Nass. Und damit meine ich auch alles. Sobald ich mit den Füßen aufstampfe, spritzt das Wasser aus meinen Schuhen heraus. Bei meinem Vater ist es nicht anders. Wow. Ich habe zwar schon mal einen Platzregen miterlebt, aber ich war noch nie fast eine Stunde lang in einem marschiert.
Die Flucht vor dem Gewitter und das Standhalten des Superregens haben uns doch ziemlich müde gemacht und so kommen wir doch ziemlich geschafft beim Mooshubenwirt, dem Ziel unserer 9. Etappe, an. Endlich raus aus den nassen Klamotten. Die Elektrogeräte sind noch ok, was man von meinem Reisepass nicht gerade behaupten kann. Der trieft nur so vor sich hin.
Wir erholen uns und lassen uns am Abend natürlich noch Fischgerichte der berühmten Fischwirtin schmecken. Erst jetzt realisieren wir, dass wir nur noch 6 Kilometer von Mariazell entfernt sind und es praktisch geschafft haben. Auch wenn mein Vater schon einige Gewitter in seinem Leben Outdoor erlebt hat, für mich war das eine ganz neue Erfahrung. Heute sehe ich das Ganze etwas entspannter und denke, das war unsere letzte Prüfung ehe es nach Mariazell geht. Auf der Rotsohlalm waren wir uns bereits zu sicher und haben dort schon gefeiert. Ich denke, dieser Denkzettel kam zur richtigen Zeit. Doch nun haben wir Himmel und Hölle auf unserem Weitwanderweg erlebt und dürfen morgen mit Stolz ins Ziel nach Mariazell einmarschieren.
Tourdaten:
Distanz: ca. 22 Kilometer
Höhenmeter: ca. 630
Abstieg: ca. 1070
Zeit: ca. 7 Std. (netto)
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